Stipendium 2022

Eine Beschreibung der Wirklichkeit
Die Fotografie ist mein Medium, meine Sprache, Themen, die mich beschäftigen, zu reflektieren.

Für mich ist ein großer Teil der Fotografie inszenierte Wirklichkeit. Was ist Wirklichkeit, wie nähere ich mich ihr. Mit diesem Thema habe ich mich in dieser Serie fotografisch auseinandergesetzt. 
Der Grundgedanke der Fotoserie ist eine Art Zeitlosigkeit in die Bilder zu bringen, Zeitlosigkeit der menschlichen Wahrnehmung.

Unser menschliches Sehen ist auf Bewegungen ausgelegt, schnelle Veränderungen können wir blitzartig wahrnehmen. Wie sieht es mit langsamen Veränderungen aus? Wachstum, Schattenverlauf oder wird ein Baum nach einem Windstoß genau gleich aussehen wie davor? Ist die Ausrichtung der Blätter am Morgen gleich wie am Abend? Wie empfinde ich eine Landschaft ohne den konkreten Schatten-Sonnenverlauf? Was macht eine grasende Schafherde mit der Umgebung? Beim Betrachten der gedruckten Fotos überkommt mich eine innere Ruhe, manchmal sogar Frieden. Meine Hoffnung ist es, dass es anderen Menschen ähnlich geht.
Vielleicht kann ich mit meinen Kamerabeobachtungen unsere Sehgewohnheiten leicht irritieren. 

Normalerweise kann ich auf einem Foto immer den Ungefähren Zeitpunkt der Aufnahme an Hand von Schatten erkennen. Bei den Aufnahmen über einen ganzen Tag werden die Schattenbereiche entweder aufgelöst oder zumindest unkenntlich, nicht so definierbar gemacht. Wolken vor blauem Himmel werden unsichtbar, eine Bewölkung nur als Farbe ohne Zeichnung erkennbar. Wasser wird zur weichen Fläche.
Auf plakative Verwischungen von Bäumen wollte ich erst mal verzichten. 
Digitalaufnahmen wären einfacher auszuführen, die Akkus halten nicht so lange, deshalb kommt nur die Aufnahme auf Film in Frage.

Die Belichtungen auf Filmmaterial sind für kurze Zeiten ausgelegt, nicht für Minuten oder einen ganzen Tag. Bei diesen Zeiten  verhindert der Schwarzschildeffekt eine korrekt errechnete Belichtung für einen längeren Zeitraum.  Karl Schwarzschild, Astronom und Physiker, bemerkte bei seinen Astrofotos Fehlbelichtungen, die er sich nicht erklären konnte. Er konnte eine exponentielle  Abnahme der Filmempfindlichkeit mit der Länge der Belichtungszeit feststellen.
Mit diesem Effekt musste ich mich auch auseinandersetzen. Nach vielen Testbelichtungen mit Grau-Filtern war ich soweit brauchbare Ergebnisse herzustellen. Mit den Ergebnissen war ich noch nicht zufrieden. Der anfängliche  Aufnahmezeitraum wirkte sich stärker in der Gesamtbelichtung aus als der Zeitraum gegen Ende der Belichtung. 

Dieses Problem kann sich bei bestimmten Motiven
sehr stark auswirken. Wenn ich als Beispiel eine Baumgruppe aufnehme und die Baumstämme links gleich hell wie rechts erscheinen sollen, und es fast linksseitig eine Aufhellung ergibt, ist die Bildidee zerstört. Am Vorabend der Aufnahme sollte die Kamera schon aufgebaut sein und nachts mit der Belichtung begonnen werden. 
Digitalaufnahmen wären einfacher auszuführen, die Akkus halten nicht so lange.
Die Aufnahmen wurden mit einer 4/5 inch Sinar Fachkamera aufgenommen. Diese Kamera funktioniert wie eine historische Kamera, die mit Dunkeltuch über der Mattscheibe eingestellt wird.  Normalerweise in buckliger Haltung. Durch das fast postkartengroße Filmformat können großformatige Abzüge in sehr guter Auflösung erstellt werden. Die Kamera kann mit unterschiedlichen Objektiven bestückt werden, Weitwinkel ergibt einen kurzen Kameraauszug und Tele ergibt einen langen Kameraauszug.  Trägermaterial sind Farbnegativfilme. Dieser Filmtyp  verträgt bis zu einem gewissen Grad Fehlbelichtungen, die bei Wetteränderungen schnell auftreten können, ein Diafilm wäre unbrauchbar. Ein Beispiel: ob ein oder zwei Tage belichtet wird spielt kaum eine Rolle. Bei einer Fehlbelichtung kommt es zu Kontrast- und Farbveränderungen, die auch sehr reizvoll ein können. Die Filme werden entwickelt und werden eingescannt.

Leider haben sich noch weitere Fehlerquellen eingeschlichen. Bei voller Sonneneinstrahlung erwärmt sich die Kamera derart, dass es eine Änderung in der Längenausdehnung gibt, speziell bei langen Teleauszug, der Abstand von Objektiv zu Filmebene verändert sich. Ergebnis ist ein unscharfes Bild. Abhilfe könnte ein Zelt oder Sonnenschutz sein, das mir leider nicht zur Verfügung steht.
   !war ich von den Ergebnissen sehr angetan. Beschreibung der aufnahmen – schattenlos zeitlos Verwischungen
 Beschreibung einzelner aufnahmen
Das Stipendium hat mir dieses Projekt ermöglicht. 

Die technischen Schwierigkeiten der Umsetzung  habe ich stark unterschätzt. Gelernt habe ich sehr viel. Die Ergebnisse sind zum Teil sehr interessant geworden. Es sind keine plakativen Bilder, man braucht etwas Zeit, um die Eigenheit dieser Langzeitaufnahmen zu erkennen. 
Im Laufe der Auseinandersetzung mit dem Thema habe ich hatte ich noch einige Einfälle, deren Umsetzung mir  lohnenswert scheinen. An der Serie werde ich auf jeden Fall weiterarbeiten.

Die Aufnahmen werden auf meiner Homepage www.m-eckmann.de mit dem Hinweis der Förderung ab März 2022 veröffentlicht.
Ich bedanke mich ganz herzlich für Ihre Unterstützung.